Granada mit Ibn Battuta

 Ein Streifzug durch das Granada des 14. Jahrhunderts in Begleitung von dem Marco Polo der arabischen Welt.

Kommen Sie doch mit mir auf die Reise ins Granada des 14. Jahrhunderts mit. Wir unternehmen diesen imaginären Ausflug in Gesellschaft von einem großartigen Reisenden der damaligen Zeit, Ibn Battuta, der sein ganzes Leben der Wanderlust verschrieben hat. In Europa wird dieser Mann auch Marco Polo der islamischen Welt genannt, wobei er den Venezianer bei weitem übertroffen hat. Doch bevor wir diese Reise anbrechen, sollten wir unseren Mitreisenden etwas besser kennenlernen.
 

 

"Erst eine gemächliche Reise ist eine Reise."

Der gute Mann ist in Tanger um 1304 auf die Welt gekommen. Als Ibn Battuta 20 Jahre alt war, wollte er seine Pflicht als Moslem tun und einen Hadsch nach Mekka unternehmen, um dabei auch islamisches Recht zu studieren, dafür sattelte er seinen Esel und machte sich auf den Weg. Eines Nachts, als er am Grabe eines heiligen Mannes übernachtet hat, erschien ihm im Traum ein Riesenvogel, der Ibn Battuta auf seine Flügel nahm und gen Osten trug, um später dort abzusetzen. Angespornt von diesem Traum, beschränkte sich Ibn Battuta nicht nur auf die Pilgerreise nach Mekka, sondern zog einfach weiter. Diese Reise sollte fast 30 Jahre dauern und er hinterlegte rund um 120.000 Kilometer, besuchte auf seinem Weg 40 Länder. Aber das große Glück bestand nicht nur darin, dass er nach all den Jahren wieder heil in seine Heimat zurückkehrte, sondern uns eine "Rihla", also einen Reisebericht hinterlassen hat. Der Sultan von Fes beauftragte einen Schreiber aus Granada namens Ibn Juzzay, der die Erinnerungen von Ibn Battuta aufzeichnen sollte. Das Buch ist unter dem Titel "Ein Geschenk an diejenigen, die das Erstaunliche der Städte und die Wunder der Reisen betrachten" erschienen und wurde im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. 

Nach seiner langen Reise durch Nordafrika, arabische Halbinsel, Indien, Südostasien, China, Südrussland, Ostafrika kehrt er nach Marokko zurück. Die Chronisten schrieben damals das Jahr 1350. Damals bedrohte der kastilische König Alfonso XI Gibraltar zu erobern. Um den Hafen zu verteidigen, setzt Ibn Battuta mit den anderen Mitstreitern von Ceuta auf die iberische Halbinsel über. Da der kastilische König aber an Pest stirbt, ist die Gefahr vorüber, so beschließt Ibn Battuta eine Tour durch Al-Andalus zu unternehmen. Er besucht Gibraltar, Ronda, Marbella, Malaga, Velez, Alhama, Granada. In Granada treffen wir ihn gerade an. Wir nähern uns Granada, indem wir durch das saftige Grün einer Flussaue reiten, aber lassen wir lieber Ibn Battuta selbst zu Worte kommen, wie er seine Ankunft beschreibt: 

"Danach setzte ich meine Reise bis nach Granada fort. Die Hauptstadt von Al-Andalus ist wie eine Braut unter den Städten. Ihre Umgebung kennt nichts ihresgleichen. Das Umland erstreckt sich über etwa 10 Meilen und ist vom berühmten Fluss Genil und von seinen Zuflüssen durchquert. Nutz- und Lustgärten, Weiden, Landhäuser und Weinberge umgeben die Stadt von allen Seiten. Zu den schönsten seiner Landschaften zählt die "Tränenquelle", ein Berg mit großen Gemüse- und Lustgärten, unvergleichlich in seiner Schönheit."
Ibn Battuta
 
In der Tat können wir uns vorstellen, dass das mittelalterliche Granada von einer grünen Oase, seiner Flussebene umgeben war, die seit alters her landwirtschaftlich genutzt wurde. Der Wohlstand des Königreiches hing zum Teil von der Nutzung von diesen Gemüse- und Obstgärten ab. Nicht den letzten Platz nahmen dabei die Maulbeerhaine ein, die für die Seidenraupenzucht unverzichtbar waren. Überall waren die Wasserkanäle verlegt, die diese Nutzgärten bewässerten. Hier und dort befanden sich Ansammlungen von den Bauernhäusern, die denen gehörten, die das Land bestellten. Oft verfügten diese kleinen Siedlungen auch über eine Moschee und einen Wachturm, unentbehrlich in den Zeiten der Reconquista. Denn damals standen die Überfälle an der Tagesordnung. Wenn wir schon auf die Reconquista zu sprechen kommen, sollte man sagen, dass die Katholischen Könige diese Obstgärten fällen ließen, um die Stadt besser belagern zu können. Aber das kommt erst eineinhalb Jahrhunderte später nach dem Besuch von Ibn Battuta.

Hinter dem grünen Gürtel entdecken wir endlich die Stadtmauern mit ihren Wachtürmen und Toren. Da im Laufe der Jahrhunderte die christlichen Ritter im Zuge der Rückeroberung immer dichter der maurischen Bevölkerung auf die Fersen traten, wurden die letzten immer weiter in den Süden gedrängt. So wuchs die Bevölkerungsdichte von Granada nach jedem Sieg der Christen und erreichte zu der damaligen Zeit etwa 50.000 Einwohner.

Unser Weltreisender erlebt Granada zu seiner Blütezeit, Zeit der großen Bautätigkeit als gerade der mächtige Comarex-Turm und Justiztor in der Alhambra errichtet werden, während der Bau vom Löwenhof noch bevorsteht. 
 


"Zur Zeit meines Besuchs regierte der König von Granada, der Sultan Abu l-Hayyay Yusuf, der Sohn des Sultans Abu l-Walid Ismail b. Faray b. Ismail b. Yusuf b. Nasr, den ich wegen seiner Krankheit nicht persönlich kennenlernen durfte. Aber seine reine, barmherzige und hochverehrte Mutter sandte mir ein Paar Goldmünzen, die ich brauchte."  Ibn Battuta
 
Von einer Wehrmauer umringt, erstreckt sich die Stadt auf 105 Ha Land. Aber auch in der Stadt selbst verläuft die Mauer, die verschiedene Viertel je nach Abstammung, Wohlhaben und Religion aus Sicherheitsgründen voneinander trennt. Die Stadtviertel sind oft, wie in den arabischen Medinas üblich ist, nach den beruflichen Zünften organisiert. Wenn wir durch das Elvirator, das größte von den 13 Stadttoren, kommen würden, fänden wir zuerst in der Vorstadt einen Friedhof. Nicht weit findet auch ein täglicher Bauernmarkt statt, auf dem ein reger Warenaustausch herrscht. Ein Zeichen der florierenden Wirtschaft sind die zahlreichen Werkstätten. 
 
Nachdem wir das Tor passiert haben, treffen wir die Waffenschmiede, weiter Barbier, Naturheiler und Apotheker. In Alcazaba Cadima wohnt die Elite, ebenso wie in der Alhambra. Näher zum Fluss Darro finden wir Messerschmiede, Polsterer und Gerberei. In Granada werden auch sehr gute Sattel hergestellt, die auch an die christlichen Nachbarn verkauft werden. In der Nähe der Zacatinstraße arbeiten die Schuster, die die Sohlen für ihre Schuhe aus Korken herstellen. An der Freitagsmoschee befindet sich ein Parfümladen, in dem man außer verschiedenen Duftölen auch alle erdenklichen Mittel für Liebeszauber oder gegen Bösen Blick erwerben kann. Die feinen Seidenstoffe und Gewürze, die wie Wundermittel gegen Krankheiten verkauft werden.
 
Bei der Ankunft von Ibn Battuta wurde in Granada erst seit ein paar Jahren die erste staatliche Universität von Al-Andalus eröffnet. Das zog die islamischen Rechtswissenschaftler, Philosophen und Dichter an. So hatte Ibn Battuta gute Gelegenheit, Richter, Wissenschaftler, Vorbeter, Fakih und andere ehrenwerte Persönlichkeiten der damaligen Zeit kennenzulernen. Diese Begegnungen fanden sicherlich in der Freitagsmoschee von Granada oder in der nahegelegenen Koranschule statt. In Granada trifft er auch andere Reisende, persische Fakire, Pilger aus Indien, Reisende aus Usbekistan, Iran, aus der Türkei, die sich damals in der Hauptstadt von Al-Andalus aufhielten.

Außerdem verbringt er einige Tage bei Scheich und Sufi Abu Al Umar in seiner Einsiedelei, von dem er liebenswürdigen Empfang erfährt. Mit ihm besucht er einen heiligen Ort Ribat des Adlers. Es handelt sich um eine Gegend, die etwa 8 Meilen von der Stadt entfernt ist, nahe der Elvira Stadt, die schon damals im 14. Jahrhundert in Ruinen lag. Heute heisst dieser Ort Kapelle der drei Johannes (Ermita de los tres Juanes).

Das ist ein kleiner Vorgeschmack für unsere echte Reise. Aber allen bekannt, einmal sehen ist besser als hundert mal hören. Ich warte auf Sie in Granada, um Ihnen über die Stadt bei einer der Führungen weiter zu erzählen.

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